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Lektor Fritz 🕷️

wwgeraldine

Im Garten steht es, mein kleines, himmelblaues Heiligtum: mein Schreib-Häuschen. Wenn ich so darüber nachdenke, sieht es tatsächlich ein bisschen aus wie eine Mischung aus Puppenhaus und Sicherheitsbunker  . Außen an der Tür prangen "Achtung Hochspannung"-Schilder  und ein "Zutritt verboten"-Symbol  . Ganz klar, hier drin herrscht die höchste Sicherheitsstufe – nur für den Fall, dass jemand wirklich ernsthaft versucht, mich zu stören. Und warum diese Abschottung? Nun ja, weil ich hier meine "Meisterwerke" verfasse. Ich weiß, das klingt dramatisch, aber hey, Drama gehört zum Job.

Drinnen, an meinem improvisierten Schreibtisch, sitze ich wie die typische Künstlerin: ein zerzaustes Genie, das den Kaffee von vorgestern schlürft , ein paar Keksbrösel auf der Tastatur verstreut hat und immer wieder misstrauisch zur Decke schaut. Denn dort baumelt meistens eine Spinne , die mich anscheinend genauso kritisch beäugt, wie ich meinen letzten Absatz. Diese Spinne, die ich mittlerweile liebevoll "Lektor Fritz" nenne, scheint eine ganz klare Meinung über meine Prosa zu haben. Ich kann förmlich hören, wie er mich mit seinen winzigen Beinchen applaudiert, wenn ich endlich mal einen guten Satz zustande bringe – oder kopfschüttelnd weiterkrabbelt, wenn ich mal wieder nur heiße Luft produziere. Wahrscheinlich würde ich sogar konstruktives Feedback von ihm annehmen, wenn ich es in seine winzigen Spinnen-Augen lesen könnte.

Die Nachbarn, so stelle ich mir vor, beobachten mich von ihren Fenstern aus. Sie fragen sich sicher, was die Frau mit dem blauen Häuschen eigentlich den ganzen Tag so treibt. Wahrscheinlich denken sie, ich sei entweder eine geheime Erfinderin oder eine verrückte Einsiedlerin, die sich zum Schreiben verschanzt hat. Vielleicht spekulieren sie auch, dass ich da drinnen still und leise an meinem Nervenzusammenbruch arbeite, während draußen die Welt weiter ihren Lauf nimmt. Dabei sehen sie nicht, dass ich tatsächlich in einem stillen Kampf mit den Elementen stehe – gegen die Wetterbedingungen, die Kaffeeflecken und meine ganz eigene chaotische Gedankenwelt.

Und das ist es doch, was das Schreiben für mich ist: ein täglicher Kampf. Nicht nur gegen die leeren Seiten, sondern auch gegen den Wahnsinn, der mich umgeben würde, wenn ich nicht schreiben könnte. Nimm mir das Schreiben weg, und ich bin wie ein Körper ohne Herz und Verstand, wie ein Rad ohne Speichen, wie ein Telefon ohne Akku. Ehrlich gesagt, ich glaube, ich würde mich innerhalb kürzester Zeit selbst verlieren. Schreiben ist das Einzige, was mich zusammenhält, das Einzige, das meine chaotischen Gedanken in geordnete Bahnen lenkt. Ohne mein Schreiben wäre ich wie ein Seemann ohne Kompass – verloren und mit Hang zum dramatischen Untergang  .

Zwischendurch tauchen natürlich meine "Mitbewohner" auf. Und nein, ich meine nicht Freunde oder Familie – die wissen mittlerweile, dass sie hier keinen Schritt reinsetzen dürfen, solange das "Zutritt verboten"-Schild blinkt  . Nein, die wahren Besucher hier sind die Gartenbewohner: Käfer, Spinnen und gelegentlich eine Wespe  . Diese kleinen Kollegen haben längst akzeptiert, dass ich Teil ihres Lebensraums bin, und betrachten mich mittlerweile wohl als die neueste Attraktion im Garten. Manchmal stelle ich mir vor, wie sie ihre Freunde rufen und sagen: "Hey, komm mit, die schräge Schriftstellerin ist wieder da! Sie sitzt da mit ihrem zerzausten Haar und redet mit der Wand! Ein echtes Spektakel!"

Dann sitze ich hier, eingehüllt in meine Geschichten und schütze mich vor der Welt – oder vielleicht schütze ich die Welt vor mir? Da draußen tobt das Leben, der Wind peitscht durch die Bäume  , und ich sehe, wie die ersten Regentropfen auf die Scheiben klatschen. Es ist fast, als würde die Natur einen kleinen Test veranstalten, ob ich heute wirklich an meinen Romanen festhalte oder mich einfach von den Gewalten überwältigen lasse. Aber ich lasse mich nicht beeindrucken. Ich tippte weiter, unerschütterlich und heldenhaft, mit einer Tasse kaltem Kaffee in der einen Hand und der anderen auf der Tastatur.

Egal, was kommt – ich bleibe hier. Die Welt da draußen kann toben  , Gewitter können mein Häuschen durchschütteln  , und Spinnen können sich zu meiner persönlichen Schreib-Crew gesellen  . Denn hier bin ich unaufhaltsam. Die Königin meines winzigen, blauen Reiches  . Und falls meine Nachbarn je den Mut haben sollten, mich zu fragen, was ich da eigentlich mache, werde ich ihnen mit einem geheimnisvollen Lächeln antworten: "Weltliteratur, was sonst?"




himmelblaues Schreibschloss
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